Üblicherweise lege ich bei dem Fotografieren der Bücher, die ich bespreche, Wert darauf, dass sie möglichst unbeschädigt aussehen. Wie Du siehst, ist es bei diesem Buch anders.
Gekauft habe ich es 2015, unmittelbar nachdem es erschienen war, aufgrund einer Werbung auf www.ashtanga.com. Dann stand es – wie viele Bücher, die ich zwar kaufe, aber bei denen ich nicht zum Lesen komme – in meinem Bücherregal.
Anfang 2018 hatte ich dann eine kleine Sanskrit-Frage zu einem Mantra, und Dr. Google konnte mir nicht weiterhelfen. Also schrieb ich in meiner Not die mir damals völlig unbekannte Autorin des Buches an, Zoë. Noch am gleichen Tag schrieb sie total freundlich zurück und beantwortete ausführlich meine Frage. Außerdem gab sie den Hinweis, dass sie ab Sommer erstmalig die Stufe 1 eines auf ihrem Buch basierenden online Kurses anbieten werde, über das Oxford Centre for Hindu Studies.
Was soll ich sagen – letzten August habe ich den Online-Kurs der Stufe 11 absolviert. In der Zeit haben wir das Buch einmal komplett durchgearbeitet, und das sieht man dem Buch an. Inzwischen arbeite ich es (langsamer) ein zweites Mal durch, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe, die sich auf das Abenteuer eingelassen haben, von mir im fast wöchentlichen Rhythmus Sanskrit zu lernen.
Diese ausführliche Vorbemerkung, um zu erklären, dass ich bei dieser Buchbesprechung nicht objektiv bin. Es ist sicher in den letzten Jahren DAS Buch, mit dem ich mich am meisten beschäftigt habe. Ich liebe es.
Wenn Du Dich speziell für Yoga oder allgemein für indische Philosophie interessierst und Lust darauf hast, die alten Texte auch im Original zu lesen und dazu bereits bist, Sanskrit zu erlernen, dann ist dieses Buch genau das richtige für Dich. Das stimmt insbesondere dann, wenn Du selbst auch Yoga praktizierst.
Zoë Slatoff
Warum ist Yogāvatāraṇam ein ideales Sanskrit Lehrbuch für Yoga Praktizierende?
Weil es Zoë in ihrem Buch gelungen ist, sowohl den akademischen Ansatz des Unterrichtens umzusetzen, mit Grammatik etc., als auch den traditionellen indischen Ansatz, über den Text und das Erlernen des Textes und das Chanten der Texte die wunderbare Sprache Sanskrit erleb- und erfahrbar zu machen.
Dafür ist sie besonders qualifiziert. Sie hat Sanskrit an der Universität von Columbia studiert und promoviert aktuell mit der Übersetzung eines für Yoga Praktizierende wichtigen Textes aus dem Mittelalter.
Außerdem – und das unterscheidet sie von den meisten anderen Autoren von Sanskrit Lehrbüchern – ist sie selbst eine Yoga Praktizierende: seit ihrem 15. Lebensjahr macht sie täglich Yoga, und hat von 2009 bis Ende 2021 in einer eigenen Shala in New York Ashtanga Yoga unterrichtet. Mittlerweile ist sie an die Westküste gezogen, in einen Vorort von Los Angeles, und unterrichtet an der Loyola Marymount University Sanskrit. Hier ist der Link zu ihrer Webseite.
So sieht das Cover aus.
Nun zu dem Buch selbst:
Alle 21 Kapitel beginnen mit einem kurzen Vers aus der Yoga Sūtra. Dann wird ein neues grammatikalisches Thema erklärt. Danach gibt es Beispiele und Übungen – und für das Selbststudium sind die Lösungen im Buch auch enthalten.
Schon im zweiten Kapitel beginnst Du mit dem Übersetzen, fast immer von „echten“ Texten oder Mantren. Natürlich kommen irgendwann auch das Eröffnungs- und das Abschlussmantra des Ashtanga Yoga vor (3. und 17. Kapitel).
Sämtliche Textbeispiele, die sie hat, stellt Zoë über ihre Webseite auch kostenlos zum Anhören und zum Erlernen der exakten Aussprache zur Verfügung.
Das Buch ist geeignet zum Selbststudium – dafür hatte ich es ursprünglich gekauft. Das setzt allerdings eine sehr entwickelte Selbstdisziplin voraus. Für mich einfacher war dann das Durcharbeiten des Buches in Kombination mit Zoës online-Kursen bei OCHS. Da gibt es während der 8wöchigen Laufzeit der jeweiligen Stufen auch jede Woche Hausaufgaben, die Zoë dann auch korrigiert. Zoë bietet auch Privatstunden an, die ich zusätzlich nutze.
Für die, die wenigsten die ersten beiden Teile des Buchs durchgearbeitet haben, bietet Zoë jetzt einen Leseclub an, in dem sie dann auch fortgeschrittenere Themen bespricht – und natürlich auch bestimmte grammatikalische Aspekte wiederholt und vertieft. Aktuell arbeiten wir an der Übersetzung von Aparokṣānubhūti, dem Text, mit dem sich Zoë auch in ihrer Promotion beschäftigt.
Warum Sanskrit erlernen?
Da es bei diesem Blog konkret um das Buch geht, nehme ich an, dass Du bereits ein prinzipielles oder allgemeines Interesse hast am Sanskrit. Warum sonst würdest Du bis hierher gelesen haben? Sollte Dich interessieren, warum Zoë das Erlernen von Sanskrit wirkliche Bereicherung empfindet, dann lies ihren kurzen Text dazu hier. Meine Liebeserklärung an das Sanskrit findest Du hier.
Und wenn Sanskrit lernen, wie?
Bei OCHS geht es am 17. Juli wieder los mit dem online Kurs von Zoë. Den Link findest Du hier.
Gelegentlich biete ich inzwischen auch über ein Wochenende eine Einführung ins Sanskrit an (auf Deutsch und Englisch, per Zoom oder vor Ort). Die nächste Einführung ist für den 26. und 27.3. geplant (auf Deutsch). Details findest Du hier.
Dort lernst Du zunächst lesen und schreiben. Wenn Du dann Lust (und Zeit) hast, kannst Du anschließend auch mit mir weiter lernen, auf der Grundlage dieses wunderbaren Buches. Sprich mich bei Interesse gerne an. Du kannst bei mir auch Privatstunden (auf Deutsch und auf Englisch) nehmen.
Und wer gerne parallel zum Erlernen des Sanskrit und Einstieg in die Textarbeit ein bisschen was von der aktuellen Yoga Forschung mitbekommen will (und wie kompliziert es dann wirklich ist, mit den Quellen zu arbeiten), kann ich empfehlen : https://podcast.yogicstudies.com/
Spannend ist, dass viele der teilnehmenden Wissenschaftlern selbst seit vielen Jahren Yoga praktizieren, somit es immer wieder zu spannenden Diskussionen kommt über das Verhältnis von Texten zu gelebter Yoga-Praxis (sowohl in Indien wie auch im Westen).
Sehr spannender Podcast. Für die Freunde der Yogasūtra empfehle ich das Interview mit Philip Maas: https://podcast.yogicstudies.com/1046752/5282650-11-philipp-maas-the-patanjalayogasastra-and-its-textual-history. Danke für den Hinweis, Katja