Der Zusammenhang zwischen Atmung und psychischer Gesundheit ist Thema des im Economist vom 25.01.2025 Abschnitt Science & Technology erschienenen Artikels unter der Überschrift „Can you breathe stress away?“ (online bereits erschienen am 17.01.2025).
Mein Fazit vorab:
Der Artikel bietet anhand dreier wissenschaftlicher Studien einen interessanten ersten Überblick zum Thema, ist aber – vielleicht aufgrund der britischen Zurückhaltung – in der Bewertung ausgesprochen vorsichtig. Begeisterung liest sich anders :-). Immerhin: Das Thema gewinnt zunehmend Aufmerksamkeit im „Mainstream“.
Der Economist-Artikel im Detail
Der Economist bezieht sich auf die Ergebnisse dreier Studien:
Meta-Analyse von 12 Studien
Gruppen, die regelmäßig „Breathwork“ praktizierten, schnitten signifikant besser ab als Kontrollgruppen.
- „Effect of breathwork on stress and mental health: A meta-analysis of randomised-controlled trials“, Fincham et al., Scientific Reports, Januar 2023. [Originalarbeit kostenfrei als PDF verfügbar, hier der Link]
Studie der Stanford University
Diese Studie zeigt, dass kontrollierte Atemtechniken, insbesondere das „physiologische Seufzen“, eine bessere Wirkung auf die Stressbewältigung haben als Achtsamkeitsmeditation.
- „Brief structured respiration practices enhance mood and reduce physiological arousal“, Balban et al., Cell Reports Medicine, Januar 2023. [Originalarbeit kostenfrei als PDF verfügbar, hier der Link]
Studie an Mäusen
Ein neurologisches Netzwerk im Gehirn, das die Atmung und das Angstverhalten steuert, wurde identifiziert. Die Stimulierung dieses Netzwerks führte zu langsamerer Atmung und reduzierter Angst.
- „A top-down slow breathing circuit that alleviates negative affect in mice“, Jinho Jhang et al., Nature Neuroscience, September 2024. [hier der Link zum Abstract und dem Literaturverzeichnis]
Meine Kritik am Economist-Artikel
Es freut mich, dass der Economist das Thema aufgreift, aber für einen Artikel unter der Überschrift Well Informed finde ich ihn eher unbefriedigend.
Die Botschaft wirkt wie ein klassisches „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Der Ton scheint darauf bedacht, die skeptische Haltung vieler Leserinnen und Leser gegenüber Themen wie Yoga oder Wellness nicht zu sehr herauszufordern.
Das schwache Hauptargument lautet im Kern: Langsames Atmen schadet zumindest nicht, und wahrscheinlich ist es nützlich.
Was ich mir gewünscht hätte
Mehr Enthusiasmus!
Natürlich ist es schwierig, in einem so „weichen“ Bereich wie der Atemarbeit Ergebnisse zu erzielen, die den modernen wissenschaftlichen Standards genügen. Dennoch: Die Studien sind in führenden wissenschaftlichen Journalen publiziert – und das mit positiven Ergebnissen!
Die Botschaft sollte daher nicht lauten: „Nichts Genaues weiß man nicht“, sondern vielmehr:
PROBIERE ES AUS!
Nach dem Motto „better good to do than good to know“ 🙂
Lass Dich bitte nicht durch das Fehlen erstklassiger randomisierter Studien davon abhalten, Atemtechniken selbst zu testen. Über ein paar Wochen hinweg kannst Du selbst – nicht randomisiert und auch nicht blind – feststellen, was Dir gut tut und was nicht.
Das Risiko von Nebenwirkungen ist minimal.
Sri O.P. Tiwari und Paul Dallaghan
(meine Pranayama-Lehrer)
Eine Harvard-Studie aus dem Jahr 2014 stellte fest, dass bereits vor der Pandemie mehr als 115 Millionen Erwachsene in den USA unter finanziellem und beruflichem Stress litten. Diese Zahl dürfte seither weltweit, insbesondere unter der jüngeren Generation, noch deutlich gestiegen sein. Ein höheres Bewusstsein für die heilende Kraft der eigenen Atmung könnte viel Leid, Herzinfarkte, hohen Blutdruck und unzählige Coaching- und Therapie-Stunden wie auch die Nebenwirkungen von Psychopharmaka- bzw. Alkohol-Konsum deutlich reduzieren.
Atemarbeit aus der Perspektive des Yoga
Im Yoga ist der Zusammenhang zwischen Atemverhalten und emotionalem sowie mentalem Wohlbefinden seit Jahrtausenden bekannt. Pranayama, die yogische Kunst des Atmens, umfasst zahlreiche Techniken, die nachhaltig das allgemeine Wohlbefinden fördern und Stress abbauen können.
Aufgrund meiner eigenen langjährigen Erfahrung und zahlreichen Rückmeldungen bin ich überzeugt – auch ohne randomisierte Studien -, dass der Atem ein wirksames Werkzeug zur Verbesserung des emotionalen und körperlichen Zustands ist.
Eine regelmäßige Praxis von 10 bis 15 Minuten Pranayama täglich entfaltet über die Zeit eine tiefgehende und nachhaltige Wirkung.
Wie so oft gilt auch hier:
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. 😊
Und ja, natürlich freue ich mich, wenn Du das Pranayama bei mir lernen magst. Das geht natürlich hier vor Ort in meinem Yoga Studio, es geht aber super auch online. Wenn Du eine Probestunde vereinbaren magst, kannst Du das über diesen Button tun.