Mich überrascht immer wieder, wie wenig Bedeutung wir Menschen dem Atmen im Alltag geben. Und so überrascht es mich dann umgekehrt, wenn ein Buch mit dem Titel „Atem“ (oder im Englischen „Breath“) es gleich auf die Bestsellerlisten der Sunday Times, der New York Times und in der deutschen Ausgabe der SPIEGEL schafft.
Gleichzeitig bestätigt es ein wenig mein Vorurteil, dass wir lieber über etwas lesen (oder etwas anschauen) als aktiv etwas zu verändern… Du hast wahrscheinlich auch schon gehört, dass z.B. in den Amazon Statistiken sich deutlich zeigt, dass die höchste Wahrscheinlichkeit dafür, dass jemand ein Selbsthilfe Buch schreibt, dann gegeben ist, wenn genau diese Person vor einigen Monaten bereits ein anderes Selbsthilfebuch gekauft hat (oder gerne auch mehrere ?).
Also, bei diesem Buch – das mir übrigens bereits sehr früh von einer ehemals in meiner Yoga Shala Praktizierenden empfohlen wurde (Danke, Andrea) – geht es um den Atem. Der Autor ist Journalist und Hobbytaucher. Er schreibt unter anderem für die New York Times. Sein Stil ist spannend, für meinen Geschmack manchmal sogar eher zu reißerisch.
Er hat über mehr als ein Jahrzehnt auf verschiedenen Kontinenten mit Expertinnen und Experten (den „Pulmonauten“, wie er sie nennt) zum Thema Atmung und Gesundheit gesprochen – und nicht nur gesprochen, sondern teilweise auch aktiv an Experimenten teilgenommen.
Die Reisen führen ihn zur Stanford Universität in Palo Alto, nach New York, Philadelphia, Stockholm, São Paulo und viele anderen Orte. Die Reisen führen ihn auch in die Vergangenheit – zu den frühen Pulmonauten, die in Asien bereits vor Jahrtausenden und im Westen bereits vor vielleicht einem Jahrhundert die unterschiedlichsten Ansätze fanden, um mit Hilfe der Atmung Gesundheit zu erhalten und auch Krankheiten zu vertreiben.
Auch das Prāṇāyāma, also die yogische Atemtechnik, wird erwähnt – wie auch die uralten Ansätze anderer Kulturen, den Atem bewusst zum Erreichen therapeutischer und spiritueller Ziele zu nutzen. Er sieht in diesem Konzept – egal, wie man es nennt – auch den gemeinsamen Nenner in all den Techniken, die er kennengelernt hat.
Das Buch ist gut geeignet für jede und jeden – schließlich hat jeder schon einmal geatmet, und man muss nicht an Yoga interessiert sein, um von seiner bunten Schilderung angesprochen zu werden. Er ist auch nicht dogmatisch – sondern beschreibt eben, was ihm geschildert wird, und auch, welche Erfahrungen er selbst mit den einzelnen Ansätzen macht.
Das Buch enthält im Anhang sogar Kurzanleitungen für einen Strauß von Atemübungen – von ganz grundlegend und einfach bis echt herausfordernd.
Kreativ ist sein Überblick über sein Buch in der Einleitung:
Das Lesen des Buchs dauert für den durchschnittlichen Atmer 10.000 Atemzüge. Beim 1000. Atemzug werde man verstehen, warum es einen großen Unterschied macht, ob man über die Nase oder den Mund atmet, beim 3.000. lernt man die heilende Atmung kennen, mit der der Blutdruck gesenkt werden könne, man sportliche Leistung steigern könne und gegen Stress vorgehen könne. Beim 6.000. Atemzug werde man die besondere Kraft des Ausatmens besser verstehen und beim 8.000. werde man Pulmonauten treffen, die mit dem Atem Skoliose heilen, Autoimmunerkrankungen unter Kontrolle halten und sich bei äußerer Kälte innerlich aufheizen (mit dem Atem, nicht mit Wodka).
Am Ende des Buches, nach 10.000 Atemzügen, wisse die Leserin oder der Leser, wie sie das volle Potential des Atmens „bis zum letzten Atemzug“ ausnutzen könne.
Nun denn, viel Freude damit. Nur bitte nicht vergessen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Solltest Du nach Lektüre des Buches feststellen, das „lesen“ und „tun“ etwas Unterschiedliches sind, kannst Du Dich gerne melden. Ich unterstütze Dich gerne bei dem Übergang vom „Lesen“ zum „Anwenden“, u.a. durch regelmäßige Workshops zu Prāṇāyāma, gerne auch in Einzelarbeit.